Die Ferien sind jetzt schon drei Wochen vorbei. Der Alltag mit seinen vielen Terminen, To-Dos und Verpflichtungen ist längst zurück – und gerade jetzt merke ich wieder sehr deutlich, wie schwierig es ist, Beruf und Familie zu vereinbaren.
Schon in den ersten Wochen nach den Ferien häuft es sich: ein freier Tag wegen Lehrerfortbildung, früher Schulschluss wegen Krankheit, Elternabende, die um 18:00 Uhr starten. Und jedes Mal frage ich mich:
„Wie sollen wir da eigentlich arbeiten?„
In diesen Momenten wirken die Erlebnisse aus meinen Sommerferien in Frankreich noch intensiver nach. Denn meine Freundin dort berichtete mir von einer ganz anderen Normalität…
📝 Alltagsnotiz: Drei Termine – ein Abend – und die Frage: Wer macht was?
In der zweiten Schulwoche hatten wir direkt drei Termine an einem Abend:
- Elternabend von Sohn Nummer 3 in der Grundschule
- Elternabend an der weiterführenden Schule von Sohn Nummer 2
- mein Mann hatte zusätzlich einen wichtigen beruflichen Abendtermin
Was tun?
Wir haben uns abgestimmt: mein Mann nahm den beruflichen Termin remote von zuhause wahr und kümmerte sich ums Abendessen, ich war beim Elternabend von Sohn Nummer 2 und unser 17-jähriger Sohn übernahm den Elternabend von Sohn Nummer 3.
Ein Spagat, den wahrscheinlich viele Familien kennen – und der zeigt, wie wenig unser System mitdenkt.
Warum meine Freundin nur den Kopf schüttelte
Ich war mit zwei meiner Kinder bei meiner französischen Freundin zu Besuch – wir kennen uns seit 30 Jahren.
Wir haben tief, offen und persönlich gesprochen. Und auch konfrontierend. Denn während wir über Kinderbetreuung redeten, schaute mich meine Freundin irritiert an:
„Wie sollen Eltern denn arbeiten, wenn die Kinder schon mittags zu Hause sind?“
Sie kennt diese Probleme nicht. In Frankreich ist Betreuung so organisiert, dass beide Elternteile arbeiten können:
- Schule geht bis 16:30 oder 17:00 Uhr
- Randbetreuung wird bis 18:30 Uhr angeboten
- Viele Eltern organisieren sich zusätzlich eine Nanny, weil sie bis 19:30 Uhr arbeiten müssen – das ist ganz normal
- In den Ferien bieten viele Arbeitgeber zusätzlich Ferienprogramme an
Das System denkt von den Eltern her.
Und hier?
- Ganztagsbetreuung heißt an Grundschulen oft nur bis 16 Uhr – und freitags gar nicht
- In weiterführenden Schulen gibt es kaum Nachmittagsangebote
- Ferienbetreuung: unübersichtlich, selbstorganisiert, ohne zentrale Information
Die Folge: Frauen arbeiten in Deutschland meistens Teilzeit. Nicht, weil sie es unbedingt wollen, sondern weil das System sie hier reindrängt.
📊 Faktenblick: Deutschland – Frankreich im Vergleich
Ein Blick auf die Zahlen macht deutlich:
- Beschäftigungsquote (Frauen, 15–64 Jahre):
- Deutschland: 75,8 % (2023)
- Frankreich: 70,7 % (2022)
- Teilzeitquote (Frauen):
- Deutschland: 49,9 %
- Frankreich: 26,6 %
- Berufstätige Mütter (Vollzeit):
- Frankreich: rund zwei Drittel
- Deutschland: nur etwa die Hälfte
Und ein wichtiger Unterschied:
In Frankreich haben zwar beide Elternteile das Recht auf bis zu drei Jahre Elternzeit – aber es gibt kein Elterngeld(außer über Sozialleistungen in besonderen Fällen).
Das führt dazu, dass die meisten Französinnen relativ schnell wieder arbeiten – oft auch aus finanziellen Gründen.
Die Folge: Die Betreuungsquote der über Zweijährigen liegt bei fast 100 %. Betreuung ist selbstverständlich – und darauf ausgelegt, dass Eltern berufstätig sein können.
Quelle: Connexion Emploi (2025)
Das deutsche Mutter-Ideal – und warum es uns erschöpft
In Deutschland dominiert noch immer das Bild: „Die Mutter ist das Beste fürs Kind.“ Sie soll die bessere Erzieherin, die bessere Lehrerin, die bessere Betreuerin… sein.
Aber ist das wirklich so?
In Frankreich gibt es dieses Denken kaum. Dort ist klar: Kinder brauchen viele Menschen, die sie unterstützen. Und Mütter brauchen die Freiheit, ihr eigenes Leben zu gestalten.
Natürlich ist auch in Frankreich nicht alles perfekt. Die Tage sind lang, der Druck auf Eltern spürbar. Aber: Das System fängt Familien verlässlich auf. Es ist darauf ausgelegt, dass beide Eltern arbeiten können.
In Deutschland hingegen wird der Druck vor allem auf dem Rücken der Mütter ausgetragen – mit erheblichen Nachteilen.
Die unsichtbaren Kosten der Teilzeit
Viele Frauen übernehmen diese Rolle ganz selbstverständlich. Sie reduzieren ihre Arbeitszeit, stemmen den Großteil der unsichtbaren Care-Arbeit und versuchen, es allen recht zu machen.
Die Folge: weniger Einkommen, weniger Rente, weniger Freiheit. Dafür mehr Verantwortung, mehr Last, mehr Erschöpfung. Ein System, das Frauen in Abhängigkeit hält – und das Risiko von Altersarmut massiv erhöht.
Das darf nicht sein.
Am Pool – mein Warum als Coach
Und während meine französische Freundin und ich weiter am Pool über die Unterschiede redeten, erzählte ich ihr irgendwann, warum ich Coach geworden bin.
Ich sagte ihr, dass ich Frauen dabei unterstütze, aus diesen tradierten Mustern auszubrechen, um:
✨ selbstbestimmt zu leben
✨ eine Partnerschaft auf Augenhöhe zu gestalten
✨ beruflich sichtbar zu bleiben
✨ finanzielle Unabhängigkeit zu sichern
Weil ich nicht länger hinnehmen will, dass so viele Frauen erschöpft, abhängig und unter Wert leben müssen. Und sie schaute mich an und sagte diesen Satz, der mich bis heute bewegt:
„Aber Anne. Das hast du mir doch schon vor 20 Jahren erzählt. Meinst du wirklich, Deutschland und die Männer sind inzwischen soweit?“
20 Jahre später – und wir treten auf der Stelle
Und sie hat recht.
Schon zu Beginn meines Berufslebens habe ich in einem Projekt zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf gearbeitet.
Und heute – 20 Jahre später – sind wir in Deutschland kaum weiter. Im Gegenteil: In manchen Bereichen hat sich die Betreuungssituation sogar verschärft, alte Rollenbilder wirken immer noch stark und politisch erleben wir vielerorts eine Rolle rückwärts.
💡 Impulse für Dich
Wir können das System nicht von heute auf morgen verändern. Aber wir können uns gegenseitig stärken – und im Kleinen beginnen.
- Aufgaben teilen: Haushalt und Organisation nicht selbstverständlich allein übernehmen, sondern fair aufteilen.
- Netzwerke bilden: Mit anderen Eltern zusammenarbeiten (Fahrgemeinschaften, Betreuungstage abwechseln).
- Grenzen setzen: Nicht alles „irgendwie möglich machen“, sondern auch mal klar sagen: Das geht nicht.
Jeder kleine Schritt ist ein Signal – an uns selbst, unsere Familien und unser Umfeld.
Es ist Zeit für Veränderung
Es wird höchste Zeit, dass sich etwas ändert.
Aber Veränderung fällt nicht einfach vom Himmel – sie beginnt bei uns.
Bei jeder einzelnen Frau, die sich entscheidet: So will ich nicht weitermachen.
Bei jeder, die ihre Stimme erhebt.
Bei jeder, die andere Frauen inspiriert und stärkt.
Denn: Wenn wir anfangen, laut zu werden, zuzuhören und uns gegenseitig zu unterstützen, verändern wir nicht nur unser eigenes Leben – wir verändern auch das System.
Mein Motto:
Jede starke Frau ändert auch ein Stück weit das System. ✨
Was Dich im nächsten Artikel erwartet
Dies ist mein zweiter Artikel hier im Blog.
Beim nächsten Mal schreibe ich noch persönlicher: über meine eigenen Erfahrungen als Mutter in der Berufswelt. Denn sie zeigen, wie schwer es Frauen – und vor allem Müttern – immer noch gemacht wird, Beruf und Familie zu vereinbaren.
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